Inklusion fängt in den Köpfen an
von Thomas Müller
Seit gut 15 Jahren weiß ich, dass es sie gibt. Seit fast sechs Jahren arbeite ich für sie. Und ich muss gestehen, ich weiß oft nicht, wo ich ohne sie wäre. Die Pfennigparade.
In diesem Jahr feiert sie nun schon ihren 70. Geburtstag. Zeit also, sie gebührend zu ehren.
In Erscheinung trat sie 1952. Damals war in Deutschland eine große Anzahl Kinder von Poliomyelitis (Kinderlähmung) betroffen. Dies ließ einigen tatkräftigen Bürgerinnen und Bürgern keine Ruhe. Kurzerhand beschlossen sie, die Initiative zu ergreifen und stiften zu gehen. Und so kam die Pfennigparade zur Welt – oder genauer gesagt: zunächst einmal nach München.
Schon sehr früh fand sie ihre Aufgabe darin, sozial schwachen Menschen eine Polio-Impfung zu finanzieren. Wenn ich mir klar mache, wie jung sie zu dieser Zeit noch war, so empfinde ich tiefe Hochachtung für sie.
Inzwischen ist sie beträchtlich gereift und deutlich größer geworden. 80 Dienste und Einrichtungen an 37 Standorten stehen mittlerweile unter ihrer Schirmherrschaft. Dazu gehört nicht nur die klassische Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. Auch mehrere Inklusionsfirmen, Schulen und Kindergärten werden von ihr betreut. Für die Unterbringung ihrer Schützlinge sorgt sie ebenfalls. Etwa 500 Mieter und Mieterinnen bewohnen barrierefreie Immobilien, die ihr gehören. In all den Jahren hat sie einiges erreicht. Und ich glaube, ich spreche meinen Mitmenschen aus der Seele, wenn ich sage, dass sie in mancherlei Hinsicht eine Vorbildfunktion besitzt.
Grün wie die Hoffnung ist ihr Markenzeichen. Aber bunt liebt sie es erst recht. Wie vielseitig sie ist, merkt man schon daran, dass unzählige Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft zu ihr gefunden haben. Hier treffen alle erdenklichen Behinderungen und Gesinnungen aufeinander. Es findet ein reger Austausch statt. Und wie gewinnbringend es ist, sich gegenseitig zu helfen, beweist sie immer wieder. Hier können sich Menschen mit Behinderungen, jeder nach seinen Neigungen, verwirklichen. Sei es in der Kunst, der Büroarbeit, im Handwerk oder der Medienarbeit. Aber auch wer in der Pflege, im Rechtswesen der Pressearbeit oder der Erwachsenenbildung arbeiten möchte, findet bei ihr den Job seiner Träume. Dass die Bedürfnisse jedes Einzelnen berücksichtigt werden, hat für sie eine hohe Priorität. Anerkennung und Wertschätzung liegen ihr außerdem sehr am Herzen.
Von Tradition hält unsere Jubilarin viel. Trotzdem geht sie mit der Zeit und verschließt sich nicht vor Neuem. Dabei kommt sie immer wieder auf geniale Einfälle, von denen alle etwas haben. Ich glaube, ihr Ideenreichtum ist längst noch nicht ausgeschöpft.
Schade finde ich nur, dass sie es bis jetzt noch nicht geschafft hat, einen Ableger zu produzieren, der sich in Norddeutschland ansiedeln könnte. So ergäbe sich für mich die Möglichkeit, näher bei meiner Familie zu arbeiten, der Pfennigparade aber trotzdem treu zu bleiben. Dann hätte sich einer meiner persönlichen Träume erfüllt.
Dass unser Geburtstagskind in den kommenden Jahren noch mehrere Erfolge für sich verbuchen wird, versteht sich von selbst. Wünschen wir der Pfennigparade also für die Zukunft alles Gute!