Mehrere Fahrzeuge stehen auf dem Gehsteig

Diese Frage stand im Mittelpunkt eines Workshops der unter der Führung von Vertretern der Deutschen Bahn, der Hochschule München und Ernst-Albrecht von Moreau, einem der Vorstände der Stiftung Pfennigparade, im Rahmen der IAA Mobilty (Internationale Automobilausstellung mobil) auf dem Marienplatz in München stattfand. Die Messebesucher waren herzlich eingeladen mitzudiskutieren.

Im ersten Teil wurden die Probleme besprochen, die durch die zunehmende Zahl an Fahrzeugen – parkende Autos, Fahrräder und E-Skooter – entstehen. Vor allem mobilitätseingeschränkte oder ältere Menschen und Eltern mit Kinderwägen stellt der mangelnde Platz auf dem Gehsteig vor ein Problem. Es wurde festgestellt, dass es nur ein begrenztes Platzangebot in der Stadt gibt und ein Gehsteig hauptsächlich den Fußgängern zur Verfügung stehen sollte. 

Bedürfnisse treffen aufeinander

In der Diskussion wurden die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Personengruppen deutlich. Die fitten und jungen Diskussionsteilnehmer äußerten ihren Wunsch sich möglichst schnell und unkompliziert bewegen zu können. Die älteren und mobilitätseingeschränkten Diskussionsteilnehmer sprachen sich dagegen dafür aus, spezielle Nutzungszonen und Nutzungsregelungen insbesondere auch für die neuen E-Skooter einzuführen, welche zunehmend den Zugang zu den Gehsteigen und ihre Nutzung erschweren. Abhilfe könnte eine allgemeine Registrierungspflicht auch für die neuen E-Roller schaffen, welche dann nicht mehr achtlos auf dem Gehsteig abgelegt werden würden. Die Hersteller sollten dazu verpflichtet werden genauere Nutzungsanweisungen für ihre Fahrzeuge herauszugeben. Auch sollten sie vor der Einführung neuartiger Fahrzeuge über deren Nutzung mit den Städteplanern in den Dialog gehen, um eine sinnvolle Nutzung zu gewährleisten.

Zudem sind die neuen Möglichkeiten der Mobilität leider nur einem bestimmten Teil der Bevölkerung ohne Probleme zugänglich, sodass eine einvernehmliche Lösung der Platzprobleme auf den Gehsteigen nur mit gegenseitiger Empathie und Verständnis für die Bedürfnisse des Anderen gelingen kann.

Stadtplanung der Zukunft

Ein interessanter Lösungsvorschlag wurde zum Ende des Workshops diskutiert: Wäre es möglich, Parkhäuser von großen Münchner Unternehmen wie der Allianz oder der Münchner Rück zu Zeiten der Nichtnutzung anderen Personen zur Verfügung zu stellen und so den vorhandenen Freiraum effektiv, durchgehend und bedarfsgerecht zu nutzen? (Freiflächen-Sharing)

Dennoch bleibt es aus meiner Sicht eine große Herausforderung, die moderne Großstadt der Zukunft zu planen und die Bedürfnisse Aller zu berücksichtigen. Ein solcher Workshop kann hierfür nur gedankliche Anstöße geben.

Interview mit Ernst-Albrecht von Moreau

Thomas Müller war auf der IAA Moblity und führte danach ein Interview mit dem Vorstand der Stiftung Pfennigparade Herrn von Moreau zum Thema Mobilität von Menschen mit Behinderungen in München:

Müller: Guten Morgen, Herr von Moreau.

Von Moreau: Hallo.

Müller: Wir haben uns ja getroffen im Rahmen der Diskussionsrunde auf der IAA Mobility. Aus diesem Zusammenhang heraus habe ich vier Fragen vorbereitet, um Ihre Einschätzung dazu zu erfahren.

Von Moreau: Sehr gerne.

Müller: Die Erste ist: Glauben Sie, dass solche Diskussionsrunden wie auf der IAA Einfluss auf die städtische Verkehrsplanung haben? Glauben Sie, dass die Diskussionsrunden mit Menschen mit Behinderung dazu beitragen können, dass von Unternehmen (wie Bahn oder ähnlichen Unternehmen), entsprechende Ergebnisse konkret umgesetzt werden?

Von Moreau: Erstmal freue ich mich, dass wir überhaupt eingeladen waren, auf eine Messe, die mit uns als Sozialunternehmen wenig zu tun hat. Dass die Organisatoren zumindest schonmal dran gedacht haben: „Wir müssen Fürsprecher von Menschen einladen, die an der Mobilität nicht so ohne Weiteres teilnehmen können.“  Das fand ich schonmal einen schönen Schritt. Gleichzeitig hat man gemerkt, das war für mich auch neu, dass es viele Unternehmen wie auch Hochschulen gibt die sich über Mobilitätskonzepte Gedanken machen. Es ist wichtig, dass wir auf Menschen aufmerksam machen, die nicht ohne Weiteres an Mobilität teilnehmen können. Dass die bei den Weiterentwicklungen mitgedacht werden. 

Müller: Die zweite Frage: Bei der Diskussion am Marienplatz habe ich schon das Gefühl gehabt, dass die Menschen die dort waren und die Leute die daran beteiligt waren, interessiert sind, wie der Eindruck der Menschen mit Behinderung ist. Glauben Sie, dass es sinnvoll wäre, Menschen mit Behinderung in die Planung von Mobilitätskonzepten oder in die Städte-Mobilitätsplanung einzubeziehen? Und wie könnte das aussehen?

Von Moreau: Ich hatte mit den Teilnehmern, die mit auf dem Podium saßen, noch Nachgespräche. Ich hatte den Eindruck, die sind wirklich gewillt auch Menschen mit Behinderung in ihre weiteren Überlegungen einzubeziehen. Das war schon überzeugend. Natürlich ist das auch eine riesige Herausforderung. Es gibt nicht nur einen Menschen mit Behinderung, sondern viele verschiedene Arten von Einschränkungen: Sinnes-Einschränkungen, körperliche Einschränkungen etc.. Das ist schon eine riesige Herausforderung all diese Bedarfe mitzudenken. Ich hatte den Eindruck, dass sie bei Konzepten wie E-Scooter merken und da sagen sie selbst, dass E-Scooter die Gehsteige in letzten Monaten dominiert haben. Er wird sehr stark wahrgenommen, dass es E-Scooter gibt und damit auch viele Probleme. Gleichzeitig fördert es die niederschwellige Mobilität, jedenfalls für Menschen ohne Einschränkungen und sie merken, dass die E-Scooter nur ein kleiner Teil der Bevölkerung nutzt, warum auch immer. D.h. wenn wir technische Entwicklungen vorantreiben wollen, müssen wir ganzheitlicher denken. Die Gesprächspartner auf dem Podium, jemand von der deutschen Bahn und jemand von der Hochschule aus München, der sich mit Verkehrs-Mobilitätskonzepten befasst, haben das schon erkannt. Bei denen hatte ich den Eindruck, die wollen das Mitdenken und die werden uns sicher wieder ansprechen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Inwieweit tatsächlich die öffentliche Verwaltung uns da einbezieht, wenn es um stadtplanerische Fragen geht, in München gibt es den Behinderten-Beirat, der eine starke Stimme hat und auch gut vernetzt ist in der Stadtverwaltung. Da gehe ich schon davon aus, dass die Stimmen der Menschen mit Behinderung, die Bedarfe von Menschen mit Behinderung, über dieses Gremium mit einbezogen werden.

Müller: Wobei das sehr schwierig ist, da viele Behinderungsarten dabei berücksichtigt werden müssen, weil es kein einheitliches Konzept gibt, das man miteinander ausarbeiten kann, weil es verschiedene Bedarfe gibt.

Von Moreau: Ja! Das ist so und trotzdem muss man sich dem Stellen. Man wird nie für Alle Lösungen finden, aber das Bemühen muss zumindest da sein.

Müller: Hier kommt die Frage drei: Die neue Mobilität ist auf die Personengruppe gesund, jung und fit zugeschrieben. Wie müsste ein Mobilitätsmittel aussehen, welches inklusiv gedacht wäre? Haben sie eine Vorstellung davon?

Von Moreau: Wie das konkret aussieht, da habe ich keine Vorstellung davon. Ich bin zu wenig dran. Die Menschen, die auf dem Podium saßen, die machen sich auch Gedanken darüber, wie man die einzelnen Mobilitätsangebote, die es schon gibt und auch die die noch zukünftig entwickelt werden, noch besser miteinander verknüpft. Wenn ich z.B. verreise mit der Bahn, wie komm ich aus der ländlichen Region zum ICE und wenn ich aus dem ICE aussteige, wie komme ich dorthin, wo ich will? Das sollte niederschwellig und gut aufeinander abgestimmt sein. Natürlich braucht es für besondere Bedarfsgruppen zusätzliche technische Lösungen. Für einen Rollstuhl, der keinen Antrieb hat oder ein Scooter, den man sich vor dem Rollstuhl schnallt der einen irgendwo hinbringt oder Apps, die bestimmte Unterstützungen ermöglichen. Da passiert schon eine ganze Menge, es muss aber einiges noch passieren. Das war auch auf dem Podium mein Plädoyer. Ich glaube es gibt die technischen Lösungen. Die werden den Bedarfen immer ein Stück hinterherhinken und sie funktionieren auch nicht immer. Sie als Rollstuhlfahrer machen da sicher leidliche Erfahrungen. Es gibt soundsoviele Aufzüge in den U-Bahn-Stationen, die defekt und nicht benutzbar sind. Das hat man immer wieder.

Müller: Ja. Das hat auch bisschen was mit weiterer Vernetzung, besserer Vernetzung, besserer Zusammenarbeit der Möglichkeiten zu tun.

Von Moreau: Genau, genau. Es gibt nicht nur die eine Möglichkeit, sondern mehrere auf die man ausweichen kann. Ich glaube, dass es neben der technischen Entwicklung noch eine andere Entwicklung geben muss, wie wir vor allem in den Städten aber auch wo anders zusammenleben sollen. Wir sollten aufeinander achten und eine Atmosphäre schaffen, dass man sich gegenseitig unterstützt, unabhängig davon, ob man eine Behinderung hat oder nicht. Das kann man auch technisch unterstützen. Ich habe eine App auf meinem Handy, die heißt Be My Eye – Sei mein Auge. Das ist eine App für Menschen mit Sehbehinderung. Die App kann man anrufen und mit der Kamera-Funktion sich die Inhalte von jemandem, der sehen kann, vorlesen lassen. Das sind einfache Apps, die Menschen unterstützen können und da kann ich mir noch eine ganze Menge mehr vorstellen. Ich glaube, dass die grundsätzliche Bereitschaft zu helfen vorhanden ist. Das ist so ein Schatz, den man versuchen sollte durch technische Lösungen besser zu erschließen.

Müller: Die Schlussfrage ist: Engagiert sich die Pfennigparade für inklusive Mobilität und wie sieht dieses Engagement aus?

Von Moreau:  Ich hoffe, dass wir einen guten Gesprächsfaden über diese Einladung zur IAA Mobility bekommen haben und wir haben uns vorgenommen diesen Kontakt weiter zu pflegen. Idealerweise diesen weiter auszubauen und das wollen wir auf jeden Fall machen. Wenn es da weitergeht, dann wollen wir auch die Vertretungsgremien (den Werkstattrat oder den Heimbeirat) gerne mit einbeziehen. Ich habe mich auf dem Podium in der Rolle nicht nur wohl gefühlt, weil ich gedacht habe, eigentlich müsste jemand wie Sie auf dem Podium sitzen! Jemand, der wirklich betroffen ist. Ich selbst bin nicht betroffen. Dann ist es schwierig für andere zu sprechen, ohne selbst betroffen zu sein. Die Absicht ist, wenn die Gesprächsfäden weiter gehen, dass wir die Betroffenen direkt mit einbeziehen.

Müller: Da wäre ich gern bereit mitzuhelfen, wenn es dazu kommt.

Von Moreau:  Super. Ganz toll, dass Sie damals die Initiative ergriffen haben und selbst an dem Workshop teilgenommen haben. Das wurde mir zurückgemeldet, dass das sehr wertvoll war.

Müller: Vielen Dank. Ich bedanke mich für das schöne Interview.

Von Moreau:  Sehr gerne. Danke fürs Interesse. Schauen wir mal, was wir draus machen.