Zwei Hönde auf die die Worte Just Me gemalt wurden

Die Gleichstellung von Mann und Frau im Deutschen ist ein Mammutprojekt mit immer neuen Baustellen.

Kennt jemand dieses Rätsel? Ein Chirurg und sein Sohn erleiden einen Autounfall. Der Vater ist sofort tot; der Sohn überlebt schwer verletzt und wird umgehend ins Krankenhaus eingeliefert. Der Dienst habende Chirurg, der den jungen Mann operieren soll, sagt: „Das kann ich nicht. Es ist mein Sohn.“ Wie kann das sein?

Die meisten von uns haben jetzt sicher zu grübeln begonnen, ob der Sohn vielleicht zwei Väter hat. Nur überzeugte Frauenrechtlerinnen kommen letztendlich auf die Lösung: Die Person im grünen Kittel, die sich weigert, die Operation durchzuführen, ist nicht der Vater, sondern die Mutter.

Eigentlich kommt dieses Rätsel aus dem englischsprachigen Raum. Dort lässt sich die Idee auch korrekt anwenden. Denn für das Wort „Chirurg“ gibt es im Englischen keine Endung, die kenntlich macht, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Im Deutschen läuft diese Regelung nicht ganz so glatt. Man kann zwar sagen, dass „die Akte noch bei den Chirurgen liegt“, und damit sind Chirurgen und Chirurginnen gemeint, aber sobald man „der Chirurg“ sagt, ist eindeutig die Rede von einem Mann.

Eine flüchtige Bekannte von mir ist mit diesem Sachverhalt nie klargekommen. Sie arbeitete als Notärztin im Rettungswagen und musste im Dienst eine grell rote Uniform tragen – wie das gesamte Team. Bei diesen Uniformen handelte es sich um Unisex-Kleidung, die sich nur durch die Aufschrift auf dem Rücken unterschied. Sie lautete entweder „Sanitäter“ oder „Notarzt“. Klarer Fall: Der Schriftzug „Notarzt“ dient lediglich dazu, die Person kenntlich zu machen, die die Entscheidungen trifft. Schließlich muss die Besatzung eines Rettungswagens mehrere Krankenhäuser anfahren, und in der Notaufnahme muss schnell klar sein, wer im Rettungsteam welche Aufgabe hat. Ob es sich bei dem „Notarzt“ um einen Mann oder eine Frau handelt, ist letztendlich egal.

Nicht aber für meine Bekannte. Sie schlug so lange Krach, bis man, extra für sie, eine Jacke anfertigte, auf der „Notarzt (w/m)“ stand. Also ehrlich: Muss das sein?

Leider ja. Am deutlichsten sieht man es seit Jahren in Deutschlands Stellenanzeigen. Da sucht man fröhlich Pädagogen (m/m) oder Informatiker (m/w). Als ob nicht von vornherein klar wäre, dass damit Pädagogen (w/m) oder Informatiker (w/m) beiderlei Geschlechts gemeint sind! Am schlimmsten finde ich persönlich das so genannte Binnen-I, das Ende der 80er aufkam. Eine meiner Dozentinnen zu Studienzeiten liebte die Schreibweise mit Binnen-I und richtete alle ihre Infomails an alle StudentInnen. Wenn sie das Wort aber aussprach, sagte sie nicht „Student-innen“, wie es sich blöderweise gehört. (Gibt’s eigentlich auch Student-außen?) Stattdessen sprach sie von „Studentinnen“, so als ob nur weibliche Wesen an ihren Seminaren teilnahmen. Das andere Extrem.

Okay: Inzwischen spricht man bundesweit ganz gerne von „Studierenden.“ An sich keine schlechte Lösung. Aber wo soll das denn noch hinführen, wenn diese Wortwäsche mit jeder Personenbezeichnung durchgeführt wird? Gehen dann am Ende Lernende anstatt Schülern in die Schule, Touristen werden nur noch als Reisende bezeichnet, und im Öffentlichen Dienst kann man die Verbeamtetenlaufbahn anstreben? Hoffentlich erlebe ich das nicht mehr.

Wo wir schon dabei sind: Warum heißen weibliche Krankenpfleger eigentlich immer noch „Krankenschwester“. Die sind doch nicht mit dem Kranken verwandt. Und warum nennt man weibliche Entbindungspfleger „Hebamme“?  Solche altertümlichen Begriffe sollten endlich eingemottet und den männlichen angepasst werden. Das nenne ich Emanzipation!

Ich kenne übrigens noch ein anderes Rätsel: In der Lobby einer Casting-Agentur befinden sich ein Model, eine Reinigungskraft und die Chefin des Unternehmens. Plötzlich stürmt jemand herein und ruft: „Oh Gott, Paula ist tot!“ Welche der drei zuvor genannten Personen ist die Leiche?

Antwort: Natürlich die Agenturchefin. Es gibt ja schließlich auch männliche Reinigungskräfte und Models. So herum geht es also auch. Ach, und noch was: Wer als Ärztin bei der Bundeswehr arbeiten möchte, sollte sich schon mal darauf einstellen, als Frau offiziell als „Stabsarzt“ geführt zu werden. Deutsche Sprache, schwere Sprache.

Bild von lisa runnels auf Pixabay