Wie die Werkstatt eine Zeitung bekam – Thomas Potthoff und die WeZet
von Thomas Müller
von Die Redaktion
Tür, Ohr und Herz offen für Menschen und Ideen:
Im Gespräch mit Thomas Potthoff über das, was ihn bewegt und was er bewegt hat.
„Immer eine offene Tür und ein ebensolches Ohr zu haben.“ Beschreibt er, wie er seine Rolle als Vorgesetzter sieht. „Im richtigen Maß zu informieren, damit jeder mitdenken kann, damit man sich verantwortlich fühlt und um Erfolg bemüht. Verantwortung weitergeben und Vertrauen schenken, damit wir als Team mehr erreichen, als jeder Einzelne es könnte.“
Erfolgreich entwickelte er mit diesem Führungsstil seinen Bereich weiter: Er nahm Ideen der Rehakund*innen oder Gruppenleitungen auf und prüfte sie auf Realisierbarkeit. Ein Beispiel dafür ist das Kreativ Labor, das den Bereich um die darstellende Kunst erweiterte.
Pragmatisch und ohne Vorbehalte ist er da, wenn es Probleme gibt: Als im Café am Scheidplatz auf die Schnelle Bilder an die Hochwand sollten, bestieg er – klettergeübt – das Gerüst des Malers. Wenn Personal fehlt, übernimmt er auch Licht und Ton oder moderiert einen Kunst-Workshop.
Eins seiner großen Anliegen zu Beginn war die Aufnahme von beatmeten Personen in die WfbM. Heute unvorstellbar, aber noch in den 1990ern Realität: Beatmete Personen oder Menschen, bei denen die Beatmung aufgrund der fortschreitenden Behinderung absehbar war, schloss der Leistungsträger von der Arbeit in der Werkstatt aus. Aufgrund seiner Erfahrungen als Zivi und Pflegehelfer in den Wohngruppen erschien das für Thomas Potthoff weder nachvollziehbar noch gerecht.
Zähes Ringen in einer Arbeitsgruppe brachte den Durchbruch. Viele Muskeldystrophiker arbeiten heute in der Digitalen Kunst – nicht zuletzt dank Thomas Potthoffs Einsatz.
„Was mir heute wichtig ist: Ich möchte den Kontakt zu den Rehakund*innen nicht verlieren, möchte das Gefühl vermitteln – ich sehe dich, ich nehme dich wahr! Auch wenn das mit zunehmenden Aufgaben und unter Corona-Bedingungen immer schwieriger wird.“
In seiner schwarzen Kleidung – sogar den ersten schwarzen Mundschutz brachte er in die Werkstatt – steckt Freude an Farbe und Gestaltung. Die hat er bei allen Führungsaufgaben nicht aufgegeben. Sein Büro ziert ein extrem buntes Gemälde.
„Früher haben wir als Gruppenleiter die Gestaltungsaufträge abgearbeitet, während die Werkstatt-Mitarbeiter anderweitig beschäftigt werden mussten. Heute stehen Arbeit und Bildung der Mitarbeiter im Vordergrund.“ Trotzdem layoutet er Plakate, Karten & Co. zum Teil noch selbst.
Einen Schauspieler lockte das Kreativ Labor aus ihm heraus: Auf der Werkstätten:Messe begleitete er als Herr von der Security ungerührt die Aufführungen des „Roten Fadens“ und ließ seine Ohrringe aufblitzen.
Mit seiner Abschluss-Arbeit der gFAB gab Thomas Potthoff den Startschuss für die WeZet – die Werkstatt-Zeitung. 2003 noch gedruckt, heute online bringen Werkstattmitarbeiter*innen darin zur Sprache, was ihnen wichtig ist.
Die WeZet hat sich als buntes Informationsmedium der Werkstattmitarbeiter*innen etabliert, das jetzt als Online-Magazin auch verschiedene Medien, vom Artikel bis zum Video, veröffentlicht. Thomas Müller, Redaktionsmitglied der ersten Stunde, schreibt immer noch mit Herzblut für die Werkstattzeitung.
Seine WeZet-Erlebnisse beschreibt er in dem Artikel „Wie die Werkstatt eine Zeitung bekam – Thomas Potthoff und die WeZet“.
Thomas Potthoff sieht das so: „Wie auch jede*r freischaffende Künstler*in bestätigen wird, ist es nicht leicht, mit der Vermarktung von Kunst sein Auskommen zu finanzieren. Schließlich müssen WfbMs das monatliche Entgelt ihrer Reha-Kunden erwirtschaften. Trotz toller Produkte wie unserem Kunstkalender und neuer Dienstleistungen, wie den Malworkshops ist der Bereich Kunst nie so profitabel gewesen wie die anderen Bereiche der Werkstatt. Umso dankbarer bin ich der Geschäftsführung, die trotzdem immer hinter dem Bereich stand und weiterhin steht.“
Auch in Zukunft sieht er die Werkstätten als wichtigen Bestandteil der Gesellschaft, jedoch vielfältiger und „normaler“:
„Ich würde die Werkstätten auch gerne auflösen – aber dafür müsste die Gesellschaft wirklich inklusiv sein. Es gibt viel zu wenige Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen und auch zu wenig Bereitschaft, das zu ändern. Es wird uns in zehn Jahren immer noch geben, hoffentlich noch vielfältiger. Ich setze mich dafür ein, dass wir gesehen werden und ein selbstverständlicher Teil der Stadtgesellschaft sind, nicht mehr so exotisch wie jetzt. Unsere Teams sollen da kreativ sein, wo andere Künstler es auch sind. Eins unserer aktuellen Projekte ist eine inklusive Galerie in einem Container im Kreativquartier. Und die Gärtnerei soll Abhol-Ort für die regionalen Lebensmittel-Kisten der Marktschwärmer werden, auch hier wollen wir positiv bekannt im Stadtteil sein.“
Von Clara Husmann